Ich werde im Folgenden darlegen, was ich für eine lohnende Anpassung der Geldpolitik erachte. Es ist ein Vorschlag, der in der entbrannten Diskussion um die Ordnung der Staatsfinanzen zweifelsfrei noch keine Rolle spielt. Denn diese Diskussionen drehen sich maßgeblich um die Frage in welcher Höhe und unter welchen Bedingungen sich ein Staat verschulden soll. Dass ein Staat überhaupt dazu gezwungen ist Schulden aufzunehmen für alles, was er nicht gegenfinanziert, kommt dabei selten zur Sprache. Ich aber sehe darin den Kern des Problems und meine, wir sollten den Befreiungsschlag wagen und das Konzept der Schulden in eigener Währung auf staatlicher Ebene gänzlich überwinden. Ich schlage den Staat ohne Schuldenzwang vor. Ein nächster Entwicklungsschritt in der Geldpolitik. Eine Staatsfinanzierung, welche im Grundsatz ohne Schulden auskommt, weil der Staat das Geld, welches er ausgibt, schöpft, ohne es vorab zu leihen oder fiktiv durch Steuern einnehmen zu müssen. Es ist eine elegante und moderne Ordnung des Geldsystems, die in der künstlichen Abhängigkeit von Banken und Schulden eine problematische, überkomplexe und zu überwindende Krücke sieht. Der Staat ohne Schuldenzwang erlaubt eine umfassendere Erschließung und Entwicklung der wirtschaftlichen Mittel und ein prägnanteres Verfolgen der gesellschaftlichen Ziele - seien diese nun Produktivitätssteigerung, Wachstum des Bruttoinlandsprodukts oder Klimaneutralität. Gleichzeitig aber tritt dieser Vorschlag der Gefahr einer bedingungslosen Ausweitung der Geldmenge und kopflosen Ausgaben konstruktiv entgegen.
Um meinen Vorschlag in einer Weise zu präsentieren, die nicht nur der Expertin zugänglich ist, sondern auch dem interessierten Leser etwas bietet, will ich den Staat ohne Schuldenzwang hier aus den ihm zugrundeliegenden Erkenntnissen herausextrahieren, statt ihn nur trocken zu beschreiben. Beginnen wir mit einem Gedankenexperiment:
Die Europäische Zentralbank überweist der deutschen Bundesregierung eine unendliche Menge Geld. Natürlicherweise freut sich die Regierung über diese unerschöpfliche Finanzspritze. Sie kann nun all ihre Vorhaben verwirklichen und beginnt sogleich akribisch die benötigten Ausschreibungen vorzubereiten. Doch bevor die ersten Verträge finalisiert und Ausgaben getätigt sind, kommen der Finanzministerin Bedenken. Was passiert, wenn sie diese unendliche Menge Geld in den Umlauf bringt und auf die Wirtschaft loslässt? Die Ministerin sorgt sich, dass dann alle wirtschaftlichen Güter unendlich teuer werden – sie befürchtet Inflation ad Infinitum.
Ihr Gedankengang ist folgender: Sie weiß, dass jeder Auftrag, den sie vergibt, wirtschaftliche Mittel bindet. Diese Mittel werden zumeist jedoch auch an anderer Stelle gebraucht. Wenn ein Bauunternehmen für den Staat eine Bahnstrecke legt, welche seine Kapazitäten vollständig bindet, kann es nicht in derselben Zeit eine Tiefgarage ausheben. Solange es genügend freie Kapazitäten gibt, ist das kein Problem, dann machen die einen Unternehmen Bahnstrecken und die anderen Unternehmen Garagen. Wenn aber nur genug Mittel für eines dieser Projekte zur Verfügung stehen, dann treten beide Projekte in Konkurrenz um diese begrenzten Mittel. Maßgeblich entscheidet dann das eingesetzte Geld darüber, wer dieses Duell gewinnt. Wer hat der kann. Wenn der Staat unendlich viel für den Bau von Bahnstrecken bietet und der Bauherr der Tiefgarage nur einen endlichen Betrag, bekommt folglich der Staat das Bauunternehmen. Um für die Bauarbeiter interessant zu sein, müsste der Bauherr der Garage nun ebenfalls mindestens unendlich bieten.
Wo aber Bauunternehmen unendlich viel verdienen, denken bald auch die Lebensmittelketten daran, auf das Baugewerbe umzusatteln. Wer will schon endlich verdienen, wenn sich in einem anderen Wirtschaftszweig unendlich Schotter machen lässt? Wer aber versorgt dann die Bevölkerung mit Lebensmitteln? Müssten die Leute dann unendlich viel für ihr Gemüse bezahlen damit ein Lebensmittelhandel noch unternehmerisch attraktive Gewinne abwirft?
Die Finanzministerin ist in großer Sorge vor diesem Szenario und fragt sich deshalb, was sie tun kann. Sie sieht zwei Szenarien:
Erstens - künstliche Geldverknappung. Sie kann der Bundesregierung vorschlagen, den Blankocheck der europäischen Zentralbank niemals anzufassen. Sie könnte vorschlagen, den Blankocheck auf einem gesperrten und unerreichbaren Sonderkonto bei der Zentralbank zu parken. Wenn die Bundesregierung Geld braucht, soll die Zentralbank ihr von diesem Konto einen endlichen Geldbetrag überweisen und ihn als rückzuzahlende Schuld in Rechnung stellen. Außerdem soll die Zentralbank Zinsen erheben und die Höhe der Schulden insgesamt per Gesetz gebremst und begrenzt werden. Mit diesem Vorschlag ist zwar immer noch unendlich viel Geld im System, aber weil es nicht verwendet werden kann, hat es keinen Effekt. Wie eine Bombe, die nur im Lager liegt und deshalb keinen Schaden anrichtet, bleibt die unendliche Geldmenge harmlos. Dieser Vorschlag entschärft das Problem der unendlichen Inflation, hat jedoch auch einen Haken: Die Bundesregierung muss innerhalb ihres maßgeblich durch Steuereinnahmen und Schuldenregeln definierten Finanzrahmens wirtschaften. Damit orientiert sie das Volumen ihrer Ausgaben nicht primär an der Verfügbarkeit der wirtschaftlichen Mittel, sondern am Rahmen der künstlich hergestellten Geldknappheit. Dies kann dazu führen, dass zwar Arbeitskräfte und Ressourcen für den Bau einer Schule vorhanden sind, sie aber dennoch nicht gebaut wird, weil der Bundesregierung trotz des existierenden Blankochecks die finanziellen Mittel fehlen.
Zweitens – faktorenbedingte Ausgabensteuerung. Die Finanzministerin kann der Bundesregierung vorschlagen, den Abfluss der unendlichen Geldmittel anhand fester Faktoren zu begrenzen, ohne ihn aber pauschal zu deckeln. Bevor Ausgaben getätigt werden, wird sich in diesem Modell gefragt: Gibt es ausreichend Kapazitäten? Wie haben sich die Preise entwickelt und warum? Was wollen wir mit der Ausgabe erreichen? Mit Kriterien wie diesen könnte die Ministerin einerseits ungewünschte Auswirkungen wie die drastischen Preissteigerungen durch eine überzogene Nachfrage vermeiden und andererseits mehr staatliche Projekte verwirklichen, wo die wirtschaftlichen Mittel bestehen oder zu beschaffen sind. Denn das Problem ist -wie wir festgestellt haben- nicht die unendliche Geldmenge an sich, sondern die Art ihres Einsatzes. Wird beim Abfluss der Geldmittel auf festgelegte äußere Faktoren geachtet -im Wesentlichen die wirtschaftlichen Kapazitäten, Preissteigerungen und ihre Ursachen sowie Effektivität der Ausgaben- kann negativen Auswirkungen vorgebeugt werden. Es lassen sich mehr oder mindestens zielgenauer Projekte verwirklichen.
Die Ministerin hat nun die Qual der Wahl: Was soll sie vorschlagen?
Im Wesentlichen gehen Staaten mit eigener Währung aktuell den ersten Weg. Auf technischer Ebene ist das Geld für einen Staat mit eigener Währung und seine Zentralbank unendlich. Denn eine Zentralbank hat die Lizenz zum Geld drucken. Sie besitzt einen Blankocheck. Auf praktischer Ebene wird das Geld jedoch durch Schuldenbremsen und den Schuldenzwang künstlich verknappt. Der Staat ist gezwungen für jede Ausgabe, die er nicht aus eingenommenen Mitteln deckt, Schulden aufzunehmen und Zinsen zu bedienen. So wird der Staat fiktiv auf einen Otto-Normal-Verbraucher verzwergt, der nur ausgeben kann, was er einnimmt und für Kredite die Zeche zahlt. Dieser Prozess ist zumeist obendrauf mit den privaten Geschäftsbanken verknotet: Der Staat hat ein Konto von dem aus er seine Ausgaben tätigt. Jede Ausgabe muss er entweder durch eingenommene Steuern oder durch frisches Geld ausgleichen, so dass das Konto am Ende des Tages auf Plus oder Null steht. Wenn er frisches Geld braucht, um das Konto auszugleichen, verkauft er Staatsanleihen an Geschäftsbanken. Staatsanleihen funktionieren im Wesentlichen wie Kredite. Der Staat bekommt frisches Geld, ist dafür jedoch zukünftig beim Besitzer der Staatsanleihe verschuldet. Er zahlt an diesen das Geld plus Zinsen zurück. Die technischen Details dieser Vorgänge sind allerorts verschieden und tief wie eine Dichterseele. In jedem Fall aber bringt dieser Weg des Schuldenzwangs beklagenswert ungünstige Sternkonstellationen mit sich. Und bevor ich nun günstigere Sterne anvisiere und erkläre, wie ich mir den Staat ohne Schuldenzwang vorstelle, möchte ich zunächst das Teleskop genauer auf diese Nachteile richten, unter denen wir alle leiden und die meinen Groll erregen.
Das hauptsächliche Problem am Schuldenzwang ist, dass er unsere Wahrnehmung auf das falsche Kriterium versteift. Statt auf die entscheidenden wirtschaftlichen Faktoren zu blicken, blicken wir vom Schuldenzwang gefesselt primär auf die Schuld. Dabei sind Schulden nicht einmal da zwangsläufig heilsam, wo sie tatsächlich unumgänglich sind – im privaten Sektor. Auslöser der Finanzkrise 2008 war der Umstand, dass Geschäftsbanken zu viele faule Kredite vergaben. Sie schöpften maßlos Kredit und erschufen damit Schuld für den Kauf von Häusern, bei Leuten, die sich diese Kredite gar nicht leisten konnten. Die Preise dieser Häuser explodierten, weil auf diese Weise immer mehr Geld in den Immobilienmarkt strömte. Auf dem Papier sah es erstmal so aus, als hätten alle ein gutes Geschäft gemacht. Denn solang die Hauspreise stiegen, wurden sogar die Schuldner reicher, die diese Häuser zu einem niedrigeren Preis gekauft hatten. Doch als die ersten Kredite ausfielen und die Leute begannen, ihre Häuser zur Tilgung zu verkaufen, brachen die Häuserpreise ein. Dies machte es den übriggebliebenen Schuldnern unmöglich, ihre offenen Kredite per Notverkauf zu bedienen und wirtschaftlich waren sie aus ihren Einkommen und Rücklagen heraus dazu ohnehin nie in der Lage gewesen. Am Ende brach das System -in dem nebenan noch so manch andere Schweinerei vonstattenging- zusammen. Trotz Schulden und Schuldenzwang entstand hier eine Krise, und zwar einfach deshalb, weil die Banken die entscheidenden wirtschaftlichen Faktoren aus dem Blick verloren: Die wirtschaftliche Stärke der Schuldner und die Frage, ob die abgerufenen Häuserpreise durch irgendeine nicht-spekulative Wertsteigerung gerechtfertigt waren. Auf diese Weise verlieren wir auch in der Volkswirtschaft über die Fixierung auf die Schuld die entscheidenden Faktoren aus dem Blick. Es entsteht der falsche Eindruck, eine Volkswirtschaft würde gut laufen, wenn ihr Schuldenstand sinkt. Dabei kann in derselben Zeit die Infrastruktur verfaulen, sich die Arbeitslosigkeit und Armut mehren und Zukunftschancen können ungenutzt verstreichen. Allein zur Reinigung unserer öffentlichen Psyche und zur Refokussierung auf das Wesentliche ist deshalb eine Abkehr von den Schulden notwendig. Keine Bundesregierung soll mehr schweißgebadet vor dem Kabinettstisch sitzen und sich fragen, ob genügend Geld da sei. Stattdessen soll sie sich die Haare darüber raufen, ob die Ausgaben bewirken, was sie sollen, ob sie effektiv getätigt werden, ob die angepeilten Ziele stimmen und was für Effekte die Ausgaben auf die Ressourcenallokation und Preissteigerung zeitigen.
Als nächstes ist zu nennen, dass der Schuldenzwang die Politik entpolitisiert und die Gesellschaft lähmt. Zwänge nehmen Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Das liegt in der Natur der Sache – Politik aber lebt vom Spielraum, Gesellschaften müssen sich entscheiden können, wenn sie sich selbstbestimmt entwickeln wollen. Wenn wir keine Schulen sanieren obwohl die Kapazitäten in der Baubranche dafür gegeben wären, nur weil das Geld künstlich verknappt wurde, dann werfen wir uns als Gesellschaft selbst einen Knüppel zwischen die Beine. Ja, Politik ist nichts für Hasenfüße. Die Entscheidungen, die in einem Staat ohne Schuldenzwang getroffen werden, verlangen Sachverstand und Entschlossenheit. Und bei aller Qualitätssicherung und Risikominimierung, die sich einführen lässt, droht stets die Gefahr von Fehleinschätzungen. Aber zu glauben, wir könnten dem aus dem Weg gehen, in dem wir den Handlungsspielraum des Staates vorab durch den Schuldenzwang begrenzen, ist irrig. Denn wer sich entscheidet, den Staat vorab in seinem Handlungsspielraum zu beschränken, der hat nicht etwa Fehlern vorgebeugt, sondern nur sichergestellt, dass wir permanent unter unseren Möglichkeiten bleiben. Krisen kommen so oder so – eine Schuldenbremse, ein Schuldenzwang, eine Bindung an Banken, vermag das nicht zu verhindern.
Und schlussendlich produziert das aktuelle System eine Komplexität, die von der Gesellschaft kaum zu schlucken ist und ein gänzlich falsches Bild erzeugt. Dieser Punkt mag ein schwacher sein, denn am Ende soll ein System gut funktionieren – ob es dabei leicht verständlich ist, ist vielleicht nur eine Kopfnote. Doch wenn es um Dinge geht, die in einer Gesellschaft diskutiert und von den handelnden Akteuren verstanden werden müssen, ist Schlichtheit ein Vorteil. Ein schlankes ergonomisches Design liegt einfach besser in der Hand.
Wie also lösen wir uns vom Schuldenzwang?
Zunächst müssen wir umdenken. Lange hielten wir das Geld für einen Feststoff. Es ist das gedankliche Erbe des Goldes – das es zu überwinden gilt. Geld ist etwas Magisches. Wem das nach Hokuspokus klingt, der blicke nur auf die fachlich präzise Bezeichnung unseres modernen Geldes. Sie lautet Fiatgeld. Fiat, das bedeutet: „Es geschehe!“. Unser Geld ist „Es-geschehe-Geld“. Da könnte es auch heißen: „Simsalabim“ oder „Abrakadabra-Geld“. Geld entsteht, weil wir es wollen, weil wir es herbeizaubern.
Diese Tatsache steht freilich dem alltäglichen Erleben entgegen. Weshalb sich der Mensch so schwer damit tut. Nur der Geldfälscher macht „Simsalabim“, wenn er seine Druckerpresse anwirft, in den Laden geht und sein Betrug gelingt. Für die Mehrheit hingegen bleibt Geld ein Feststoff, ausgestattet mit den Limitationen der Physik und klaren Maßen. Und genau so muss es sein. Im Alltag müssen wir uns über die Natur des Geldes hinwegtäuschen lassen – denn ohne einen belastbaren und begrenzten Wert verlöre das Geld im Gebrauch seine Nützlichkeit. So wie ein Zauberkünstler den größten Erfolg hat, wenn er uns Glauben macht, was er tut, sei real, hat das Geld den größten Erfolg, wenn es wirkt als sei es fest. Wir müssen also in zwei Bereiche trennen: Den Ort, wo das Geld entsteht und den Ort, wo es genutzt wird. Dort wo es genutzt wird, ist die Festkörperphysik uns allen hinlänglich bekannt und praktisch. Umgedacht werden muss, wo das Geld entsteht, und das ist bei Staaten und Banken.
Hier kommt nun der Staat ohne Schuldenzwang zum Zug. Dieser Staat blickt nicht auf das Geld oder die Schuld an sich - ohnehin weiß niemand ganz genau, wie viel Geld genau im Umlauf ist. Er blickt auf die konkreten Messpunkte ökonomischer Gesundheit und gesellschaftlichen Wohlstands. In welchem Zustand befindet sich unsere Infrastruktur? Herrscht hohe oder niedrige Beschäftigung? Erreichen wir die gesteckten Ziele, wie eine fortlaufende Qualifizierung der Bevölkerung oder Klimaneutralität? Herrscht Inflation oder Deflation? Steigen Preise aufgrund knapper Ressourcen, schlechter Wechselkurse oder Überhitzung der Wirtschaft? Wenn Fragen wie diese zugunsten einer Ausgabe beantwortet werden, schöpft der Staat das für eine Ausgabe benötigte Geld und legt es auf das Konto des Begünstigten. Eine Schule soll saniert werden? Das Geld wird vom Finanzministerium auf dem Konto der Baufirma per Knopfdruck gutgeschrieben. Schulden gibt es keine. Nur ein Vermerk über die getätigte Ausgabe. Wie das Geld erzeugt wird, so verschwindet es: Eine Baufirma zahlt 200 Geldeinheiten an den Staat zurück als Steuer? Es wird vermerkt und dann vernichtet. Warum der Staat die Ausgabe einfach tätigen und das Geld herbeizaubern kann, leuchtet hoffentlich aus den bisherigen Ausführungen ein. Der Staat sitzt auf einem Blankocheck. Warum er das Geld aber vernichten sollte, dazu auch noch das wertvolle Steuergeld, das verlangt nach einer Erklärung:
Wie beschrieben, ist es schon heute so, dass ein Staat in eigener Währung keine Steuern braucht, um seine Ausgaben zu bedienen. Seine Zentralbank kann so viel Geld ausgeben, wie sie will. Steuern braucht der Staat aus finanzieller Sicht nur, wenn er sich dem künstlich erzeugtem Schuldenzwang unterwirft und folglich jede Ausgabe gegenfinanzieren muss. Tatsächlich braucht er die Steuern aus zwei ganz anderen nicht direkt finanziellen Gründen: Steuern sichern erstens die Akzeptanz seiner Währung und stellen zweitens sicher, dass er seine benötigten Leistungen erhält. In Deutschland müssen wir unsere Steuern in Euro begleichen. Das bedeutet, dass wir Euros besitzen müssen, um unsere Steuern überhaupt bezahlen zu können. Damit wird der Euro für uns als Währung unverzichtbar. Würde der Staat Dollars akzeptieren, könnte sich die deutsche Wirtschaft über Umwege Stück für Stück dem Dollar zuwenden.
Weil der Euro als Währung allgemein akzeptiert wird, kann der Staat sich damit Leistungen einkaufen. Die Leute sind auf Euros angewiesen. Und deshalb kann der Staat sich darauf verlassen, dass sie ihm für Euros geben, was er braucht – Arbeitskraft und andere Ressourcen. Gleichzeitig bringt der Staat über seine Ausgaben aber auch wieder seine Währung in den Umlauf. Indem er Menschen in Euros bezahlt, stellt er sicher, dass diese auch Euros besitzen, aus denen heraus sie wieder Steuern zahlen können und mit denen sie wirtschaften. Wenn nichts schiefgeht, ist das ein sich verstärkender Kreislauf, welcher die Akzeptanz der Währung in der Bevölkerung fest verankert. Um nicht zu sagen, es ist ein Prozess, welcher die Bevölkerung dazu zwingt, in einer gewissen Währung zu wirtschaften. Der Staat selbst aber ist zu seiner Finanzierung nicht auf Steuern angewiesen. Er braucht sie auf geldpolitischer Ebene vorrangig, um eine Währung zu erzeugen, mit der er sich dann seine benötigten Leistungen einkaufen kann. Neben der geldpolitischen Ebene gibt es selbstverständlich noch eine wirtschaftspolitische Ebene, auf welcher Steuern eingesetzt werden können, um gewisses Verhalten anzuregen oder zu sanktionieren. Aber die Wirtschaftspolitik soll hier keine Rolle spielen.
Es ist für einen Staat ohne Schuldenzwang völlig unproblematisch, jede Steuereinnahme direkt zu vernichten. Um genau zu sein, ist es vielleicht sogar eher notwendig, um die Geldmenge nicht über Gebühr auszudehnen. Denn ein Staat, der auf der einen Seite so viel Geld in das System bringen kann, wie er für richtig hält, ohne dabei durch Schulden beschränkt zu werden, der muss das Geld auf der anderen Seite vernichten können, um die Geldmenge zu steuern. Steuern bleiben damit nicht nur in der Wirtschafts- sondern auch in der Geldpolitik ein Steuerungselement. Wenn der Staat wöllte, könnte er die Steuern auch auf ein Ausgabenkonto für später gutschreiben. Dies würde der Bevölkerung vielleicht das gute Gefühl geben, etwas zu den Ausgaben des Staates beizutragen. Nötig ist es aber nicht.
Wie angekündigt handelt es sich bei meinem Vorschlag um ein schlankes Design: Bezahlt wird alles, was gut ist und auch tatsächlich, ohne dramatische Überhitzung gemacht werden kann - faktorenbedingte Ausgabensteuerung lautet hier das Stichwort. Und abschließend wird das freigesetzte Geld über Steuern wieder eingefangen und vernichtet.
Nicht mehr und nicht weniger ist der Staat ohne Schuldenzwang. Selbstverständlich ist dies nur ein erster Aufschlag, der nach weiterer Vertiefung und technischen Dokumenten schreit. Selbstverständlich müssen die wirtschaftlichen Faktoren, anhand derer die Ausgaben gesteuert werden, genau beschrieben sein. Und natürlich kann auch dieser Staat sich in Fremdwährungen verschulden. Auch ist über die Auswirkungen dieses Modells für das Banken- und Zinssystems nachzudenken. Vielleicht sollte in diesem Denkrahmen die Steuerung der Wirtschaft über Zinsen nicht über einen allgemeinen Leitzins, sondern sektorenbezogen und spezifischer erfolgen. So dass sich der Bildungskredit für Auszubildende und Studenten nicht erhöht, nur weil die die Baubranche über hohe Zinssätze abgekühlt werden muss. Aber das sind Gedanken für einen anderen Tag.
Insgesamt sehe ich im Staat ohne Schuldenzwang schon in seinem so frühen Stadium das Glimmen einer historischen Chance: Wir könnten uns ehrlich machen. Wir könnten der wahren Natur unseres Geldes, des Fiatgeldes, endlich ein adäquates Milieu bieten. Nicht länger soll sich unser Geld verbiegen müssen und so tun, als sei es Gold. Nicht länger sollen wir knapp bei Kasse sein, wo wir es doch gar nicht sind. Nicht länger sollen wirtschaftliche Mittel ungenutzt herumliegen und Potentiale ungehoben bleiben. Wir können mehr, als wir können. Mit einem neuen Geldsystem, mit dem Staat ohne Schuld, werden wir als Menschen und als Gesellschaft freier Atmen, weiter laufen und höher springen.